Am 23. Oktober 2024 hatte ich die Gelegenheit, im Rahmen des Dialogforums Generative KI an der Hochschule München einen Vortrag zum Thema „Generative KI in der Sozialen Arbeit“ zu halten. Dabei ging es darum, wie Künstliche Intelligenz bereits heute in sozialen Berufen genutzt wird und welche Kompetenzen Fachkräfte in diesem Bereich benötigen, um den technologischen Wandel verantwortungsvoll zu gestalten. Der Vortrag bot eine Plattform für einen intensiven Austausch über die Chancen, aber auch die ethischen und sozialen Herausforderungen von KI in der Sozialen Arbeit. In diesem Beitrag möchte ich einige der wichtigsten Erkenntnisse zusammenfassen und weiterführende Diskussionen anregen.
KI in der Sozialen Arbeit: Kein Neuland
Auch wenn generative KI für viele noch ein relativ neues Phänomen darstellt, ist KI in der Sozialen Arbeit kein völlig neues Thema. Einige spannende Beispiele zeigen, wie KI Prozesse in diesem Bereich bereits unterstützt. So gibt es etwa die algorithmische Vergabe von KiTa-Plätzen über das Projekt „KitaMatch“ vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Auch „Predictive Risk Modelling“ in den USA, das Kindeswohlgefährdungen vorhersagen soll, ist ein solches Beispiel. In Deutschland gibt es ähnliche Ansätze, wie das Projekt „KAIMo“, das erste Schritte in diese Richtung unternimmt. Zudem kommen emotionale Roboter und intelligente Assistenzsysteme, besonders in der Seniorenarbeit, zum Einsatz, ebenso wie psychosoziale Beratung über Chatbots, wie zum Beispiel „Woebot“.
Studierende und KI: Nutzung mit Vorbehalten
Wie sieht es eigentlich mit der Nutzung von KI durch Studierende aus? Eine Umfrage an der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften der Hochschule München, die wir im Sommer 2023 durchgeführt haben zeigt, dass rund 70 % der Studierenden ChatGPT bereits nutzen – vorwiegend für private Zwecke, aber auch für ihr Studium. Die KI kommt vor allem bei Recherchen, zur Inspiration und für das Schreiben von Texten zum Einsatz. Trotzdem bleibt eine gewisse Skepsis: Viele Studierende zweifeln daran, dass KI in der Sozialen Arbeit den menschlichen Kontakt ersetzen kann. Aussagen wie „Ich glaube, der menschliche Kontakt ist in der Sozialen Arbeit unabdingbar“ verdeutlichen, dass der direkte Austausch mit Menschen als zentral betrachtet wird.
Ethische und ökologische Fragen rund um KI
Der Einsatz von KI wirft nicht nur praktische, sondern auch ethische und ökologische Fragen auf. So hat die Nutzung von KI-Systemen erhebliche ökologische Konsequenzen. Der Energieverbrauch ist extrem hoch und trägt zum Klimawandel sowie zum Ressourcenverbrauch bei (Rohde 2024). Gleichzeitig gibt es ethische Bedenken, wie die Ausbeutung von „Click-Worker“ im globalen Süden, die oft unter prekären Bedingungen arbeiten, um KI-Systeme zu trainieren. Es gibt Berichte über die Traumatisierung von Arbeiter, die grausame Inhalte bewerten müssen (Miceli 2023).
Bias und Fairness: Kritische Auseinandersetzung mit Daten
Ein großes Problem beim Einsatz von KI sind die Verzerrungen in den Daten, auch „Bias“ genannt. Diese Verzerrungen können zu Diskriminierung führen, wenn etwa geschlechtsspezifische oder rassistische Stereotype durch KI verstärkt werden. Insbesondere in der Sozialen Arbeit, wo Gerechtigkeit und Chancengleichheit im Fokus stehen, ist dies ein kritischer Punkt. Forscher:innen wie Buolamwini und Gebru (2018) haben gezeigt, dass KI-Systeme oft ungenaue Ergebnisse bei der Klassifizierung von Geschlechtern und Hautfarben liefern, was zu Benachteiligungen führen kann (Buolamwini & Gebru, 2018). Wir benötigen daher inklusive und diverse Datensätze, um faire und gerechte Systeme zu entwickeln.
Das Recht auf analoge Alternativen
Nicht jeder Mensch hat Zugang zu digitalen Technologien, und einige Menschen möchten diese auch gar nicht nutzen. Daher ist es wichtig, analoge Alternativen aufrechtzuerhalten, um sicherzustellen, dass niemand ausgeschlossen wird. Das Recht auf analoge Alternativen ist besonders in der Sozialen Arbeit entscheidend, da alle Menschen, unabhängig von ihrer technischen Affinität, Zugang zu Dienstleistungen haben müssen (Digitalcourage 2023).
Welche Kompetenzen brauchen Sozialarbeiter:innen im Umgang mit KI?
Um KI sinnvoll in die Soziale Arbeit zu integrieren, sind spezifische Kompetenzen gefragt. Neben einem grundlegenden technischen Verständnis müssen Sozialarbeiter:innen der Lage sein, KI kritisch zu bewerten und die damit verbundenen ethischen Fragen zu hinterfragen. Wichtig sind auch Datenschutzkompetenzen sowie die Bereitschaft zu kontinuierlichem Lernen und Anpassung. Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist ein weiterer Schlüssel, um die Potenziale von KI verantwortungsvoll zu nutzen (Engelhardt 2024).
KI in der Lehre: Praxisnahe Szenarien für Studierende
An der Hochschule München werden Studierende bereits praxisnah an den Einsatz von KI herangeführt. In Übungen zur Onlineberatung arbeiten sie mit ChatGPT, um verschiedene Beratungssituationen zu simulieren. Dabei lernen sie, wie wichtig es ist, die eigenen Lernziele klar zu formulieren und zu erkennen, wo die Grenzen der Technologie liegen. Die Studierenden entwickeln auch eigene Fallvignetten, mit denen sie Rollenspiele üben und selbstkonfigurierte GPTs, um ihre Beratungskompetenzen zu stärken und ihren eigenen Bias zu reflektieren (Engelhardt 2024).
Fazit: KI in der Sozialen Arbeit – Mit Bedacht einsetzen
Der Einsatz von KI in der Sozialen Arbeit bietet spannende Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen. Sozialarbeiter:innen müssen lernen, die Technik nicht nur anzuwenden, sondern sie auch kritisch zu hinterfragen. Der menschliche Kontakt bleibt unverzichtbar, aber KI kann eine wertvolle Ergänzung sein – vorausgesetzt, sie wird verantwortungsvoll und zum Wohle der Gesellschaft eingesetzt. Ein kontinuierlicher Dialog zwischen Forschung, Praxis und Gesellschaft ist unerlässlich, um diese Technologie sinnvoll weiterzuentwickeln.