Onlineberatung ist ja keine ganz so neue Sache mehr. 1995 begann die Telefonseelsorge damals als erste Anbieter für psychosoziale Beratung, sein Angebot auch ins Internet auszuweiten. Es erscheint logisch, dass ausgerechnet die Telefonseelsorge hier Vorreiter in der Beratungslandschaft war – sind sie es doch schon lange gewohnt gewesen, mit Ratsuchenden über räumliche Distanz hinweg in Kontakt zu kommen.
Inzwischen ist es aber immer wichtige geworden, den Blick zu weiten: Wenn wir in der Sozialen Arbeit von digitaler Transformation sprechen (diese Bezeichnung finde ich treffender als „nur“ Digitalisierung zu verwenden), geht es aber inzwischen um viel mehr, als Beratung online anzubieten. So beschäftigen sich viele Organisationen derzeit mit dem Wandel, der in den nächsten Jahren auf sie zukommen wird. Die Flexibilisierung von Arbeitsmodellen und Führung (’new work‘) gehört genauso hierzu, wie die Transformation von Arbeitsfeldern und Aufgaben in der Sozialen Arbeit.
Doch noch einmal zurück zur Beratung: Auch die Onlineberatung befindet sich in einem Wandel und das 11. Fachforum Onlineberatung wird sich daher genau mit dieser Frage beschäftigen: Was bedeutet der digitale Wandel für die Onlineberatung? Nach den ersten Jahren, in denen Onlineberatung vor allem als ein Zusatzangebot zur „normalen“ Beratung verstanden wurde, findet heute häufiger eine Integration der Onlineberatung in die face-to-face-Beratung statt. Es geht eher um einen Medienmix in Form von ‚Blended Couneling‘ als darum, zwei Beratungsformate (oder Settings?) gegenüber zu stellen.
„Die grundlegende Frage lautet: Wie können wir durch den digitalen Wandel hindurch dem professionellen Anspruch der Berater/innen gerecht werden und zugleich die eigenen Beratungsangebote auf dem Markt behaupten?“ (Fietze, B. & Möller, H., 2018, o. S.)
Und damit sprechen die beiden Autorinnen einen ganz wesentlichen Punkt an: Professionalisierung der Beratung in einem digitalen Zeitalter! Auffällig finde ich nach wie vor, dass der Fokus der Diskussionen weniger auf der Entwicklung von Möglichkeiten (und Professionalität!) liegt, sondern vielmehr in der Betonung von Defiziten, die digitale Beratungssettings mit sich bringen. Es erfolgt nach wie vor die Gegenüberstellung von face-to-face und Onlineberatung (bzw. Online-Coaching oder Online-Supervision). So beschreibt es auch Martens-Schmid (2018) in ihrem Beitrag zum Thema „Hier ist dort – Coaching auf dem Weg in virtuelle Beratungswelten“, in dem sie die Bedeutung der Ko-Präsenz von Klient*in und Coach beschreibt:
„Der Klient übernimmt die Regie für die Entwicklung seines Selbst. Der Coach gerät in Gefahr, in seiner auf den Klienten abgestimmten Arbeit daran zum bloßen Dienstleister zu werden. Das klingt zwar nach eigentlich doch schätzenswerter Eigenverantwortung des Klienten. Die unmittelbare Begegnung zwischen Coach und Klient als „ganzer Personen“ in einer professionellen Beziehung auf Zeit, die Auseinandersetzung mit einem physisch und psychisch präsenten Gegenüber, die nach heutigem Verständnis den Kern professionellen Coachings ausmacht, – sie gerät darin aus dem Blick.“ (Martens-Schmid, 2018, o. S.)
Diese Sichtweise, die vor allem darauf basiert, das bisherige Coachingverständnis einem möglicherweise neuem und anderen Verständnis gegenüber zu stellen ist meines Erachtens weniger zielführend als die Auseinandersetzung mit der Frage, wie Beratung in einer Gesellschaft, die sich immer stärker durch einen digitalen Wandel charakterisiert, zeitgemäß und fachlich professionell gestaltet werden kann. Und dazu ist es aus meiner Sicht hilfreich, sich von einem „entweder – oder“ zu lösen und ein „sowohl als auch“ in den Blick zu nehmen (so hat es übrigens auch schon Sauter 2001 beschrieben).
Für Berater*innen, Coaches und Supervirsor*innen geht es daher in Zukunft darum den digitalen Wandel nicht als Gefahr zu verstehen, die traditionelle Beratungsformate gefährdet, sondern die Möglichkeiten und Chancen zu entdecken, die darin ebenso stecken. Wenn dies gelingt, kann auch die Profession einen Wandel erleben, in dem Altes bewahrt werden kann und Neues eine Erweiterung des Bisherigen darstellt.
Und so stellt Martens-Schmid zum Abschluss ihres Artikels auch treffend fest:
„Entscheidend scheint mir zu sein, ob es uns gelingt, zu begreifen, dass Digitalität und Virtualität existierender Teil unserer realen Welt sind. Wir sind darin nicht völlig autonom und nicht völlig ausgeliefert. Vielmehr können wir uns als Einzelne und als Gesellschaft im Diskurs offline und online den Fragen der Steuerung und der Steuerbarkeit der digitalen Entwicklung stellen.“ (Martens-Schmid, 2018, o. S.)
Im Artikel verwendete Quellen:
Martens-Schmid, K (2018). Hier ist dort – Coaching auf dem Weg in virtuelle Beratungswelten. Organisationsberatung, Supervision, Coaching. Wiesbaden: Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/s11613-018-0562-4
Fietze, B. & Möller, H. (2018). Digitalierung in der Beratung. Organisationsberatung, Supervision, Coaching. Wiesbaden: Springer Fachmedien. . https://doi.org/10.1007/s11613-018-0556-2